Portrait: Eva Ploder – Förderin von extraordinärem Upcycling

„Mal raus aus der Quadratur“. Diese Worte benutzt Eva Ploder gerne. Den Pfad der üblichen Denkweisen, des Naheliegenden verlassen, meint sie damit. Dann entstehe Außergewöhnliches. So sei das auch beim Upcycling. Auf dem halben Globus sucht die Endfünfzigerin nach Künstlern, die aus einem Haufen Müll etwas nie Dagewesenes kreieren. Und gibt ihnen eine Plattform. 2009 gründete sie dafür World of Eve.

Förderin des Extraordinären
©World of Eve
©World of Eve

Ein paar Straßen entfernt von ihrem ehemaligen Büro im Münchner Uni-Viertel treffen wir uns in einem Café. Eva Ploder kommt mit dem Fahrrad, schon von weitem leuchtet ihr hellblonder Schopf in der Sonne. Die natürliche Bräune, die in attraktivem Kontrast zur weißen Sommerbluse steht, hat sie nicht dem bayerischen Sommer zu verdanken. Peru, Brasilien, Südafrika, Simbabwe, Mosambique – dies sind nur einige der Länder, die sie bereist hat in den letzten Jahren, einige davon mehrmals. Ihre Mitbringsel: Kontakte zu Up- und Recycling-Designern – und natürlich einige ihrer Werke. Nicht, um sie zu verkaufen, sondern in Europa bekannt zu machen und so die Designer zu unterstützen. Sie organisiert Ausstellungen und Workshops, bringt Künstler und Interessenten zusammen.

Upcycling aus Südafrika: Plastik-Blumenkleider für Energiesparlampen

Beispiel: Die Künstlergemeinschaft Magpie-Artcollective aus Barrydale, einem kleinen Ort 240 Kilometer von Kapstadt entfernt. Die vier Upcycling-Designer erschaffen Lampen der besonderen Art: Eine davon sieht aus wie ein nach unten gehaltener explodierender Blumenstrauß. Dünne Kupferdrähte stehen nach allen Seiten ab, daran aufgefädelt sind bunte Perlen und Stoffblüten. Eine andere wirkt wie ein Ball aus großen Blüten. Die Halterung: fein säuberlich in Kreisen ausgeschnittenes Dosenblech. Die Fruchtknoten: Plastik-Schraubverschlüsse.

Zauberhafter Lampenschirm aus Müll. ©World of Eve/Martin Hangen
Zauberhafter Lampenschirm aus Müll.
©World of Eve/Martin Hangen

Zugrunde liegt allen Variationen eine nackte Energiesparlampe – wie sie in Südafrika in vielen Haushalten von der Decke baumeln. So entstand die Idee: Die kahlen Dinger zu verschönern. „Diese Lampen gaben die Initialzündung für World of Eve. Fashion of Light war mein erstes Projekt, eine Ausstellung mit Magpie-Objekten in der Galerie Tecno 2010“, erzählt Ploder.

Zwei Jahre später präsentierte sie weitere Künstler bei der ersten „Munich Creative Business Week“ (MCBW). Der damalige Leitende Direktor der Neuen Sammlung, Prof. Florian Hufnagl, sah die Werke, sagte „geil“ und kaufte zwei Exponate: Eine Lampe von Heath Nash und eine Metallplatte von Mark Hilltout. Ploder lacht bei dieser Erinnerung. „Das war wie ein Ritterschlag für World of Eve“. Nicht aus Nespresso-Kaffeekapseln gebastelte Ohrringe oder Schatullen aus alten Büchern sind es, die die gebürtige Grazerin elektrisieren. Es ist extraordinäres Upcycling – eben Kunst.

„Handwerk ist die Vorstufe zu Design“

Wie sie das Außergewöhnliche findet? „Es zieht mich an wie ein Magnet. Ich gehe durch die Straßen und sehe es“. Sie lächelt und nimmt einen Schluck von ihrer Saftschorle mit Ingwer. Ganz entspannt. Keine Star-Allüren, trotz Erfolg und Bühnen-Vergangenheit. An der Universität für Kunst und Musik im österreichischen Graz studierte sie Theater, Tanz und Schauspiel, besuchte anschließend die Schauspielschule in New York, arbeitete an Theatern in Augsburg, Hannover und München. „Daher stammt meine Affinität zum Handwerk“. Ihre Erfahrung: Nichts ist unmöglich. Kein noch so ausgefallenes Bühnenbild, kein noch so extravagantes Kostüm. Ploder ist überzeugt: „Handwerk ist die Vorstufe zu Design“. Wer ein Handwerk beherrsche, könne auch Neues erschaffen. „Es reicht ja oft schon, ein anderes Material als das Übliche zu verwenden“.

Ein Netzwerk der Kreativität
Schillernder Auftritt für Kronkorken. ©World of Eve
Schillernder Auftritt für Kronkorken. ©World of Eve

So wie beim Upcycling. „Es ist unglaublich faszinierend, was Menschen auf der ganzen Welt aus Müll entstehen lassen können“. Manchmal gibt sie auch den Anstoß dazu. Aus dünnen Metallnetzen vom Schrottplatz baute ihr eine Künstlerin ein riesiges Auge. Aus Hunderten Kronkorken entstand ein großer Korb. Kreativität begeisterte Ploder schon bei ihrer Arbeit mit Kindern für „bim bam bino“, damals 1987 das erste Kinderprogramm im Privatfernsehen. Fünf Jahre lang produzierte sie die Sendung auf Tele 5 mit stetig wachsendem Erfolg, danach folgten „Quärbeet“ auf Sat 1 und andere TV-Produktionen. Sie zeigte den Kindern die Welt und ihre Vielschichtigkeit, ihre Bewohner vom Dalai Lama bis zu Michael Jackson. „Allein durch diese Arbeit hatte und habe ich mit vielen Menschen zu tun und es entstehen dabei immer neue Verbindungen“.

Ploder freut sich, dass Magpie mittlerweile von der Agentur WaterArt gefördert wird und sich ihre Upcycling-Lampen gut verkaufen. Das Ganze ist sogar zu einem sozialen Projekt angewachsen. Die Künstler binden das halbe Dorf in ihre Arbeit ein: die Bewohner bringen ihren Müll vorbei, die Frauen stricken die Kupferkleider. Sie verdienen sich damit ihren Lebensunterhalt und Magpie hat dafür gesorgt, dass sich einige auch ein Konto eingerichtet haben. Wer bargeldlos bezahlen kann in Südafrika ist sicherer vor Raubüberfällen.

Neue Ausstellungen in Planung

Derzeit ist Ploder dabei, neue Ausstellungen zu organisieren. Voraussichtlich 2017 – der Termin steht noch nicht fest – werden zwölf afrikanische Künstler in einer Münchner Pop-Art-Galerie ihre Kreationen präsentieren. „Einer von ihnen bearbeitet zum Beispiel bunte Plastiktüten mit dem Fön und lässt so bizarre Bilder entstehen“, erzählt sie. Auch die Vorbereitungen für die nächste MCBW im März 2017 laufen schon. Unterstützt wird ihr One-Women-Unternehmen jedes Mal bei solchen Projekten von Geografie-Studenten der Universität Augsburg. „Für sie ist es ein anerkanntes multikulturelles Art-Event-Praktikum und für mich ist es eine Entlastung und Bereicherung“. Mitarbeiter kann sich Eva Ploder nur leisten, wenn Sponsoren ein Projekt unterstützen. Denn: großes Geld verdient sie nicht mit World of Eve. Diese Welt ist ihre Passion.

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